Bei Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Elterngeld handelt es sich um Einnahmen, die steuerfrei sind. Dennoch können sie sich negativ auf die Steuerlast von Arbeitnehmern auswirken. Welche Einkünfte dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegen und ob Sie mit einer Steuernachzahlung rechnen müssen, erfahren Sie hier.
Was ist der Progressionsvorbehalt?
Das sollten Arbeitnehmer wissen
Progressionsvorbehalt: Definition
Viele staatliche Sozialleistungen werden zwar nicht versteuert, unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt. Sie finden also bei der Ermittlung Ihres Steuersatzes Berücksichtigung. Damit können eigentlich steuerfreie Lohnersatzleistungen Ihren Steuersatz anheben und so doch zu einer höheren Steuerlast führen. Sie sind zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, wenn Sie zum Beispiel in einem Kalenderjahr nicht arbeiten konnten, deshalb mehr als 410 Euro an Lohnersatzleistungen bezogen haben, und diese dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
Diese Leistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt
Laut Einkommensteuergesetz (EStG), Paragraf 32b, unterliegen unter anderem folgende, eigentlich steuerfreie Einkünfte dem Progressionsvorbehalt:
- Elterngeld,
- Mutterschaftsgeld und Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld,
- von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenes Krankengeld – ab dem 43. Tag einer Krankheit,
- Verletztengeld,
- Kurzarbeitergeld,
- Arbeitslosengeld I,
- Insolvenzgeld und
- bestimmte Auslandseinkünfte.
Die gesetzliche Krankenkasse zahlt Krankengeld, wenn ein Arbeitnehmer für mehr als sechs Wochen am Stück krankgeschrieben ist. Obwohl es sich bei Krankengeld um eine steuerfreie Leistung handelt, unterliegt es dem Progressionsvorbehalt. Das gilt nicht für Krankengeld-Zahlungen, die Sie von einer privaten Krankenversicherung erhalten. Deshalb müssen Sie diese Einkünfte nicht in Ihrer Steuererklärung angeben. Wenn Sie in Kurzarbeit sind und über 410 Euro im Jahr verdienen, müssen Sie eine Steuererklärung abgeben – obwohl es sich bei Kurzarbeitergeld um eine steuerfreie Leistung handelt.
Gibt es Einkünfte, die nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen?
Ja, es gibt auch Einkünfte, die nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen, weil dafür bereits die reguläre Einkommensteuer fällig ist. Dazu gehören Lohn aus nichtselbstständiger Arbeit, Einkünfte aus Selbstständigkeit sowie Kapitaleinkünfte. Folgende Sozialleistungen unterliegen ebenfalls nicht dem Progressionsvorbehalt:
- Arbeitslosengeld II,
- Erziehungsgeld,
- Wohngeld,
- Sozialhilfe und
- Krankentagegeld einer privaten Krankenversicherung.
Wie greift der Progressionsvorbehalt?
Im Steuerrecht gilt das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Ihr Steuersatz steigt also mit Ihrem zu versteuernden Einkommen. Die Leistungsfähigkeit erhöht sich durch den Bezug von steuerfreien Leistungen. Denn durch die zusätzlichen steuerfreien Einnahmen – die sogenannten Progressionseinkünfte – haben Sie mehr Geld zur Verfügung als ohne. Deswegen fällt für Ihr steuerpflichtiges Einkommen der Steuersatz höher aus. Damit Ihre steuerfreien Lohnersatzleistungen berücksichtigt werden können, ohne selbst versteuert zu werden, ermittelt das Finanzamt einen Durchschnittssteuersatz aus Ihrem Gesamteinkommen, also dem steuerpflichtigen und dem steuerfreien Einkommen. Dieser besondere Steuersatz findet dann nur Anwendung auf das zu versteuernde Einkommen. So wird Ihr steuerpflichtiges Einkommen etwas höher besteuert, während Ihr steuerfreies Einkommen wirklich steuerfrei bleibt.
Wie wird der Progressionsvorbehalt in der Steuererklärung berücksichtigt?
In Ihrer Steuererklärung müssen Sie Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, gesondert ausweisen. Das Finanzamt rechnet dann aus, ob Sie Einkommenssteuer nachzahlen müssen. Wenn Ehepaare zusammen veranlagt sind, zahlt derjenige mehr Steuern, der keine Einkünfte erzielt, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Steuerpflichtige sollten daher abwägen, ob in ihrem Fall eine Zusammen- oder Einzelveranlagung oder ein Wechsel der Steuerklasse sinnvoll ist.
Beispielrechnung für die Auswirkung des Progressionsvorbehalts
Ein Arbeitnehmer hat ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro. Zusätzlich bekommt er 2.000 Euro Elterngeld.
Brutto | Netto | Steuerbelastung | |
mit Progressions- vorbehalt |
insgesamt: 42.000 EUR
davon Elterngeld: 2.000 EUR |
insgesamt: 33.905 EUR
davon Elterngeld: 1.733 EUR |
insgesamt: 8.095 EUR
davon Elterngeld: 267 EUR |
ohne Progressions- vorbehalt |
40.000 EUR | 32.172 EUR | 7.828 EUR |
Die Steuerbelastung von 267 Euro (33.905 Euro minus 32.172 Euro) entsteht durch den Erhalt des Elterngeldes. Von den eigentlich 2.000 Euro steuerfreiem Elterngeld bleiben dem Arbeitnehmer nur 1.733 Euro (2.000 Euro minus 267 Euro) übrig, denn das Elterngeld führt zum Ansteigen des Steuersatzes für die übrigen Einkünfte.
Negativer Progressionsvorbehalt
Neben sogenannten positiven Einkünften gibt es auch sogenannte negative Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Wenn Ihnen zum Beispiel Geldanlagen im Ausland Verluste einbringen, die sich aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens im Inland nicht durch Verlustausgleich auswirken dürfen, kann das Finanzamt die Verluste bei der Berechnung des Steuersatzes vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Der negative Progressionsvorbehalt mindert somit Ihren Steuersatz und Ihre Steuerlast – es sei denn, es besteht laut EStG ein Verlustausgleichsverbot. Das bedeutet, dass Sie Ihre entstandenen Verluste nicht mit einem Verlustabzug, also einem Verlustvortrag oder Verlustrücktrag, steuerlich geltend machen können. Lassen Sie sich dazu von Ihrer Volksbank Raiffeisenbank vor Ort fachkundig beraten, um die Auswirkungen des Progressionsvorbehalts besser zu verstehen.
Fragen und Antworten zum Thema "Progressionsvorbehalt"
Der Progressionsvorbehalt erhöht nicht direkt Ihre Steuerschuld, sondern wirkt sich auf den Steuersatz aus, der auf Ihr zu versteuerndes Einkommen angewendet wird. Haben Sie Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, wird Ihr gesamtes zu versteuerndes Einkommen mit einem höheren Steuersatz besteuert. Das führt in der Regel zu einer höheren Steuerlast.
Bei Einkünften aus dem Ausland hängt die Anwendung des Progressionsvorbehalts davon ab, ob mit dem jeweiligen Land ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Falls ja, werden diese Einkünfte in der Regel in Deutschland steuerfrei gestellt, unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt.
Sie benötigen Dokumente zu Ihren Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, zum Beispiel Bescheinigungen über empfangene Sozialleistungen oder Nachweise über Auslandseinkünfte.
Hinweis auf Beratung: Dieser Artikel gibt nur Anregungen sowie kurze Hinweise und erhebt damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Informationen können eine persönliche Beratung durch einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt (insbesondere Fachanwalt für Steuerrecht), Wirtschaftsprüfer oder durch einen Lohnsteuerhilfeverein nicht ersetzen.